
Der "Parzival" von Wolfram von Eschenbach
ist ein Versroman der mittelhochdeutschen hochhöfischen Literatur,
entstanden vermutlich im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts.
In kunstvoll verzahnten Handlungssträngen werden die Abenteuer zweier
ritterlicher Hauptfiguren erzählt - einerseits die Entwicklung des
Titelhelden vom unwissenden Kämpfer im Narrenkleid zum Gralskönig,
andererseits die gefahrvollen Bewährungsproben für den Artusritter
Gawan. Thematisch gehört der Roman zur so genannten Artusepik, auch
wenn die Aufnahme Parzivals in die Tafelrunde des mythischen britannischen
Königs nur eine Durchgangsstation seiner Gralssuche ist.
Der Stoff wurde literarisch, aber auch in der Bildenden Kunst und in der
Musik vielfach bearbeitet; die nachhaltigste Wirkung erreichte dabei wohl
Richard Wagners Adaption für das Musiktheater mit seinem "Bühnenweihfestspiel"
Parsifal (Uraufführung 1882).
Hauptquelle zum Parzival ist der unvollendete Versroman
Perceval le Gallois ou le conte du Graal / Li contes del Graal von Chrétien
de Troyes, entstanden 1180/90. Wolfram selbst allerdings distanziert sich
im Epilog von Chrétien, nennt dagegen mehrfach das Werk eines gewissen
'Kyot' als Vorlage und versieht diese auch noch mit einer abenteuerlichen
Entstehungsgeschichte. Da aber ein solcher 'Kyot' außerhalb von
Wolframs Dichtung nicht identifiziert werden konnte, sind diese Angaben
eher als literarische Koketterie des Autors einzuordnen.
Die Handlung des Parzival ist gegenüber der Vorlage umfangreich erweitert,
insbesondere durch die Rahmung mit der einleitenden Vorgeschichte um Parzivals
Vater Gahmuret und den abschließenden Ereignissen im Zusammentreffen
Parzivals mit seinem Halbbruder Feirefiz. Die Einbettung in die Familiengeschichte
dient - über die pure Lust am Fabulieren hinaus - der verstärkten
Kausalmotivation der Handlung. Wolfram kommt so auf fast 24.900 Verse
gegenüber gut 9.200 Versen bei Chrétien.
Aber auch in jenen Passagen, in denen Wolfram Chrétien inhaltlich
folgt (Buch III bis Buch XIII), geht er wesentlich freier und selbstbewusster
an die Nacherzählung als andere zeitgenössische Autoren (etwa
Hartmann von Aue, dessen Artus-Romane Erec und Iwein auch auf Chrétien
zurück gehen): Der Textumfang der Vorlage ist fast verdoppelt auf
etwa 18.000 Verse, auch deshalb, weil Wolfram seine Protagonisten wesentlich
breiter ethische und religiöse Fragestellungen reflektieren lässt,
sich auch selbst immer wieder als reflektierender Erzähler zu Vorgängen
der fiktiven Handlung äußert.