
1899 veröffentlichte der englische General Baden-Powell
für die britische Armee das Buch „Aids to Scouting“ (Anleitung
zum Kundschafterdienst), das aufgrund des Heldenstatus, den er im Burenkrieg
errungen hatte, bei den Jugendlichen in England großes Interesse auslöste.
Als Baden-Powell nach seiner Rückkehr nach England feststellte, dass
überall nach seinem Buch „Kundschafter“ gespielt wurde,
versuchte er, aus diesem Spiel ein – heute würde man sagen erlebnispädagogisches
– Konzept zur Jugenderziehung zu entwickeln. Zur Erprobung dieses
Konzepts veranstaltete er 1907 ein erstes Lager auf Brownsea Island. Daran
nahmen 20 Jungen aus verschiedenen sozialen Schichten teil. Sie trugen einheitliche
Uniformen, um die sozialen Unterschiede zu verwischen. Aufbauend auf diesen
Erfahrungen veröffentlichte Baden-Powell 1908 eine für Jugendliche
überarbeitete Version von „Aids to Scouting“: Scouting
for Boys.
Obwohl das in „Scouting for Boys“ Dargestellte eigentlich nur
die Methodik der schon existierenden Jugendverbände ergänzen sollte,
entstanden auch außerhalb dieser Verbände viele Pfadfindergruppen.
Um diese Bewegung in England zusammenzufassen wurde noch 1908 die Boy Scout
Association gegründet. Gleichzeitig entstanden in vielen anderen Ländern
ebenfalls Pfadfindergruppen, so dass es schon vor dem Ersten Weltkrieg auf
allen Kontinenten – mit Ausnahme der Antarktis – Pfadfindergruppen
gab.
Für diesen großen Erfolg und die rasche Ausbreitung der Pfadfinderidee
gibt es mehrere Gründe. Maßgeblich in Großbritannien, den
Dominions und den britischen Kolonien waren die gezielten Pressekampagnen
und die Lobbyarbeit, die Baden-Powell gemeinsam mit Arthur Pearson, dem
Verleger von „Scouting for Boys“, betrieb. Schon vor der Publikation
versandten beide zahlreiche Werbebriefe an Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens in Großbritannien, unter anderem auch an Angehörige des
Königshauses. Gleichzeitig mit der Buchveröffentlichung wurde
die wöchentlich erscheinende Jungenzeitschrift „Scouting“
gestartet, die schon zum Ende des Jahres 1908 eine Auflage von 110.000 Exemplaren
erreichte. Daneben entstanden auch weitere Zeitschriften zu diesem Thema,
die ähnliche Auflagen erzielten.
Die durch diese Kampagnen erzielte Begeisterung wurde natürlich auch
außerhalb von Großbritannien und seinen Kolonien wahrgenommen
und in Presseveröffentlichungen herausgestellt. Dieses Interesse führte
in Verbindung mit dem so wahrgenommenen Erziehungsziel „guter Staatsbürger“,
das bürgerliche Wertvorstellungen bediente, zur Gründung von Pfadfinderverbänden
in anderen Ländern, meist durch Pädagogen oder an der Erziehung
interessierten Menschen. Zum Export der Pfadfinderidee in andere Länder
existieren daneben auch einige Anekdoten, so die von dem unbekannten Pfadfinder,
der dem späteren Gründer der US-amerikanischen Pfadfinder durch
London führte und dafür keine Belohnung annahm mit der Begründung:
„I’m a scout. (Ich bin Pfadfinder.)“
Nicht vernachlässigt werden darf auch, dass die Gründungszeit
der Pfadfinderbewegung in einen Zeitraum fällt, in dem die Jugend als
eigenständige Lebensphase entdeckt wurde und verschiedene pädagogische
Konzepte zum Umgang mit dieser Altersstufe entstanden. Parallel zur Pfadfinderbewegung
entstanden zahlreiche weitere Jugendverbände und -organisationen, wie
beispielsweise der CVJM, der deutsche Wandervogel oder die Arbeiterjugendbewegung.
In Deutschland fiel die Gründungsphase der Pfadfinderbewegung zeitlich
ungefähr mit der ersten Phase der Reformpädagogik und ihren zahlreichen
Schulgründungen zusammen.